Ich lese, in Wien soll demnächst eine neue Schreibschrift eingeführt werden. Ehrlich. Das berichtet zumindest die Tageszeitung “Der Standard” und der ORF hat die Meldung sofort übernommen. Die Wiener Schüler und Schülerinnen erhalten also ihre eigene Schreibschrift, die nur sie lernen und die dann, eh klar, auch nur sie können. Und das per Gesetz, es braucht schließlich alles seine Ordnung. “Prima” wird die neue Schrift dem Vernehmen nach heißen.
Einerseits bin ich der Meinung: Gut so. Das ist in in Österreich längst überfällig. Es ist wirklich wichtig, so etwas nach Bundesländern zu regeln. Immerhin gehört unser riesiges Land zu den 200 größten Staaten der Welt. Von Bregenz bis nach Hainburg, das ist fast eine Weltreise, da bist du locker ein paar Stunden unterwegs, das ist ja mehr als ein halbes Eintagsfliegenleben. Ich meine, bei dieser gigantischen Ausdehnung zwischen dem Boden- und dem Neusiedlersee, da kann schon leicht etwas verloren gehen, wenn man nicht aufpasst und es verschriftlicht, zum Beispiel der Hausverstand. Da kann man ja mit einer einzigen Schreibschrift gar nicht auskommen. Und natürlich, damit alles eine wirklich runde Sache ist, braucht die neue Schrift auch ihren eigenen Namen. “Schreibschrift” kann ja jeder dahergelaufene Kringel eines übermütigen Bleistifts heißen, das macht wirklich nicht viel her.
Allerdings, man hätte an das Namensproblem vielleicht mit ein bissl mehr Phantasie herangehen können. “Prima” als Name für die neue Wiener Schrift ist ein wenig, nun ja: banal. Bochn, täten die Wiener womöglich schreiben, hätten sie ihre Schrift schon. “Ludwia” wäre zum Beispiel ein guter, jedenfalls viel schönerer Name gewesen. Meinetwegen auch einfach-defitg “Michl”. Denn wen, wenn nicht den eigenen Landeshauptmann, soll man mit einer lokalen Schrift ehren?
Selbstverständlich brauchen die restlichen acht Bundesländer außer Wien dann so etwas aber auch. Hat Wien seine eigene Schrift, wäre es nur recht und billig, wenn, nur zum Beispiel, die Steiermark: ebenfalls.
Es ist bei uns ja sowieso schon viel zu viel zentral geregelt. Und wir haben neun Tierschutzgesetze, neun Baugesetze, neun Jugendschutzgesetze, neun Landeshauptleute – wie sollen wir da in unseren unendlichen Weiten mit nur einer einzigen Schreibschrift für alle auskommen? Ich hätte außerdem gern, dass die neue gesetzliche Schreibschrift in der Steiermark dann “Drexla” getauft wird. Ganz rechts und ganz links draußen im Staatsgebiet sollen sie die Schriften “Dosko” und „Walli“ nennen. In Salzburg natürlich “Hasi”. In Niederösterreich, bekanntlich der Hort alles Modernen und Fortschrittlichen, braucht es was Kreativeres, mir schwebt da “Jo, ha! Na.” vor. Vielleicht könnte man der Jo, ha! Na. sogar ein paar zusätzliche Kapitälchen spendieren, die Zerfurchung symbolisieren könnten. Weil Landwirtschaft – dafür ist NÖ berühmt – und daher: Ackerfurchen. Oder haben Sie etwa gedacht, ich meine …? Also bitte.
In Kärnten kann die Schrift klarerweise nur “Hoheit” heißen, in Tirol “Plattera” (weil ja: Tradition, Geschichtsbewusstsein). In Oberösterreich böte sich “Stelzi” an, was sonst. Eine gesonderte Schrift für ganz Österreich braucht es dann aber natürlich doch auch, und die kann selbstverständlich nur “Ne, so ein Hammer!” heißen. Mit Ausrufezeichen.
Offen scheint mir derzeit andererseits noch die Frage: Wie sollen Botschaften vom einen ans andere Bundesland gelesen – und vor allem verstanden – werden, wenn sie, was ja sinnvoll wäre, in der jeweiligen Landes-Schreibschrift verfasst sind. Weil, gelehrt und daher gekonnt wird die ja jeweils nur …
Aber da werden sich hoffentlich jene, denen das mit der neuen Wiener Schreibschrift nur für die Wiener und Innen eingefallen ist, sicher ihre Gedanken machen und mit einer zweifellos ganz tollen Lösung anrücken. Ich bin schon sehr gespannt. +++