Start Business As Usual Warum Energie nicht billiger wird, obwohl sie schon wieder billiger ist

Warum Energie nicht billiger wird, obwohl sie schon wieder billiger ist

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Autofahrer kennen dieses Spiel seit Jahren: Die Rohölpreise steigen und sofort klettern auch die Spritpreise an den Tankstellen nach oben. Den Konsumenten ist das einsichtig – obwohl die Kausalität durchaus hinterfragenswert wäre – und sie zahlen, ohne groß zu murren. Sinken die Marktpreise für Rohöl allerdings wieder, machen die Spritpreise an den Zapfsäulen diese Talfahrt für gewöhnlich lange nicht mit, sie bleiben hoch. Die Ölfirmen argumentieren das mit der Verzögerung beim Einkauf: Zwischen Besorgen des Rohöls und Verkauf des raffinierten Treibstoffes an die Autofahrer vergehen, so sagen sie, in der Regel Monate (was von außen nicht überprüft werden kann). Teuer eingekauftes Rohöl muss daher Monate später, wenn es an sich wieder günstig wäre, immer noch als teurer Treibstoff verkauft werden. Seltsam ist nur, dass diese Argumentation lediglich in eine Richtung funktioniert. Wird Öl teuer, steigen die Spritpreise sofort. Wird Öl wieder billig, bleiben die Spritpreise lange hoch.

Derzeit ist das gerade wieder der Fall. Als Rohöl mit dem russischen Überfall auf die Ukraine teuer wurde (am 21. Februar 2022, also kurz vor Kriegsausbruch, lag der Preis für ein Barrel der Rohölmarke “Brent” bei rund 95 US-Dollar, kurz darauf kletterte er auf knapp 130 Dollar), kostete Benzin an den Tankstellen sofort beinahe doppelt soviel wie noch kurz zuvor. Mittlerweile befindet sich der Rohölpreis wieder klar unter dem Niveau von vor Beginn des Krieges, nämlich bei zwischen 80 und 90 Dollar. Der Benzinpreis sank hingegen im Schnitt nur um rund 20 Prozent. Die großen Gewinner sind die Mineralölkonzerne, die Gelackmeierten sind die Autofahrer. Kein Wunder, dass zum Beispiel die OMV gerade erst ein Rekordergebnis vermeldete.

Nicht viel anders verhält es sich beim Gaspreis. Es befindet sich mittlerweile laut österreichischem Gaspreisindex wieder ziemlich genau auf dem Niveau von vor Kriegsausbruch. Die Energieversorger verrechnen allerdings nach wie vor horrende Preise. Die Argumentation ist deckungsgleich mit jener der Ölfirmen – teuer eingekauft, also muss auch noch eine Zeit lang zu hohen Preisen verkauft werden, bis das teure Gas die Speicher verlassen hat. Erst dann kann der Preis sinken. Dass sich im vergangenen Jahr, als die Preise nach oben kletterten, hauptsächlich günstig eingekauftes Gas von früher in den Speichern befand und verkauft wurde, wird verschwiegen – die Preise wurden damals erhöht, so schnell es eben nur ging. Ergebnis: Die österreichischen Gaslieferanten melden derzeit fast alle Rekordergebnisse. Sie sind die ganz großen Gewinner der Energiekrise, die ganz großen Gelackmeierten sind, siehe oben: die Konsumenten.

Die größte Chuzpe legen jedoch die Stromerzeuger an den Tag, denn sie berufen sich auf die sogenannte “Merit Order”, die in der EU gilt: Der Strompreis ist so hoch, wie die theoretischen Erzeugungskosten in den teuersten Kraftwerken eines Landes sind. Das sind in Österreich die Gaskraftwerke, die in der Realität allerings meistens gar keinen Strom erzeugen, sondern nur die eiserne Reserve zur Stabilisierung der Netze in Problemfällen bilden. Sie bestimmen allerdings, eben nach Merit Order, den heimischen Strompreis, der schwindellerregend über den tatsächlichen Gestehungskosten liegt, weil hierzulande ja hauptsächlich mit Wasser-, Wind und Solarkraft produziert wird. Die Stromerzeuger haben sich also in den vergangenen 12 Krisenmonaten eine goldene Nase verdient. Die großen Gelackmeierten waren, nun: Sie wissen schon.

Jetzt allerdings könnte der Strompreis sofort sinken, weil selbst nach der höchst konsumentenfeindlichen Merit-Order-Regelung der Strom-Gestehungspreis im teuersten Fall, also bei der Produktion in Gaskraftwerken, wieder niedrig wäre. Wie gesagt: Gas ist inzwischen wieder günstig. Das übliche und ohnehin fragwürdige Argument, “teuer eingekauft ist teuer verkauft”, greift hier nicht, weil es sich in Österreich bei der Stromproduktion aus Gas ja eben nur um eine theoretische Angelegenheit handelt.

Trotzdem, und selbstverständlich: Der Strompreis bleibt hoch, die Erzeuger und Lieferanten denken gar nicht daran, ihn wieder zu senken, obwohl sie das längst könnten. Sie sind die großen, eh schon wissen. Die großen Gelackmeierten sind, ebenfalls: eh schon wissen.

Es ist beschämend und bezeichnend für die Inkompetenz oder (wir wollen ja nicht gleich das Schlimmste annehmen) zumindest für den Unwillen der Regierungspolitiker, dass sie dieses Vorgehen dulden. Fragt sich nur noch: Woher kommt dieser Unwille? Einfache Antwort: Der Finanzminister gehört ebenfalls zu den ganz großen Krisengewinnern – er erzielt über die Körperschaftssteuer sowie über die beschlossene Sondergewinnabschöpfung umso höhere Einnahmen, je mehr Gewinne die Energielieferanten machen. Und von den Bürgern kassiert er umso mehr Umsatzsteuereinnahmen (im Fall von Treibstoff auch Mineralölsteuereinnahmen), je höher die Energiepreise sind. Wen wundert es da also, dass sich diese nach wie vor in lichten Höhen befinden, obwohl sie längst wieder auf Talfahrt sein könnten.

Bleibt als Fazit: Gewinner überall, nur nicht bei den Konsumenten. Wir sind die großen, wie gesagt: eh schon wissen. +++