Die Welt an sich ist ungerecht. Ganz sicher wenig gerecht ist jedenfalls die Art und Weise, wie Staaten Steuern einheben – gewichtige Wirtschaftseinheiten werden meistens anders behandelt als einzelne Bürgerinnen und Bürger. In Österreich ist das nicht viel anders, auch wenn es von allen Beteiligten stillgeschwiegen oder stillschweigend toleriert beziehungsweise ertragen wird. Zwei verräterische Zahlen wurden dieser Tage bekannt, die die Ungleichbehandlung ganz gut illustrieren: Im vergangenen Jahr 2022 – wir hatten, wohlgemerkt, immer noch Krise – verbuchte der Staat Rekordeinnahmen an Steuern. Insgesamt klingelten in der Staatskasse 105,2 Milliarden Euro, rechnete das industrienahe Institut “Agenda Austria” soeben aus. Ein noch nie da gewesener Spitzenwert. Zum ersten Mal überhaupt lag das Steueraufkommen damit über 100 Milliarden. Gleichzeitig stiegen allerdings auch die Einnahmenausfälle – durch allerlei legale Steuertricks großer Konzerne. 1,3 Milliarden Euro rannen dem Finanzminister durch die Finger, weil internationalen Konzernen großzügig Schlupflöcher eingeräumt wurden, die dem normalen Bürger nicht zur Verfügung stehen. Diese Zahl kommt vom der Arbeiterkammer nahe stehenden Institut “Momentum”.
Das lohnt einen genaueren Blick auf die Details. Schauen wir uns zunächst die Einnahmen an. Das Momentum-Institut hat ausgerechnet, dass vor allem die Umsatzsteuer der ganz große Bringer ist. Umsatzsteuer zahlen aber weder Unternehmen noch Konzerne, sondern die zahlen wir, die Konsumenten. International agierende Unternehmen haben dafür die Möglichkeit, ihre theoretischen Steuerschulden zu verschieben, was sie auch tun, bis sie sich einen guten Teil davon ersparen. Ohne diese Gewinnverschiebungen – meistens ins europäische Ausland – wären 2022 rund 14,7 Milliarden an Körperschaftssteuer fällig geworden, tatsächlich an den Finanzminister abgeführt wurden jedoch nur 13,4 Milliarden. Der Rest ging an Mutter- oder Tochter- oder Schwestergesellschaften zumeist in europäische Steueroasen wie etwa den Benelux-Staaten. Legal, wohlgemerkt, denn der Staat öffnet da großzügig Schlupflöcher und zeigt sich nicht besonders aktiv im Bestreben, sie zu schließen.
Das wäre auch gar nicht so leicht – jedenfalls weit komplizierter, als bei einfachen Steuerzahlern und Klein- oder Kleinstunternehmen Steuern zu kassieren. Denn während Bürger und Bürgerinnen ebenso wie kleine rein nationale Unternehmen österreichischem Recht unterliegen, ist das Steuerrecht für internationale Konzerne eben meist international. Um Schlupflöcher wirksam und dauerhaft zu schließen, bräuchte es eine länderübergreifende Zusammenarbeit. Also geschieht hier: nichts. Also zahlen die Kleinen, in deren finanziellem Gebälk es manchmal nicht zuletzt auf Grund der überbordenden Steuerlast zu knirschen beginnt, brav ihre Abgaben, weil sie ohnehin nicht anders können. Während die Großen, die sehr wohl anders können, ihre Rekordgewinne in großem Stil internationalisieren und so ihre österreichische Körperschaftssteuer optimieren, das heißt: minimieren. Das ist nicht im Sinn der Sache. Das Mindeste, was Bürgerinnen und Bürger von ihrer Regierung verlangen können, ist Gleichbehandlung in Sachen Steuerleistung. Da wären fairere Regelungen längst überfällig.
Doch es ist kaum zu erwarten, dass sich an der ungleich verteilten Steuerlast etwas ändern wird. Die per Gießkanne verteilten Förderungen des Staates mit Steuergeld heizen die Inflation zusätzlich an und erhöhen so weiter das Umsatzsteueraufkommen. Die aus steigendem Konsum resultierenden zusätzlichen Gewinne und damit das steigende Körperschaftssteueraufkommen wird, siehe oben, zu einem Teil ins Ausland transferiert, wo es dann nicht mehr oder nur mehr in geringerem Maß anfällt. Die Großen werden also weiter tricksen und kassieren, die Kleinen werden weiter zahlen. Die Welt ist halt ungerecht. +++