Der Vormarsch der FPÖ geht also weiter – auch in Niederösterreich. Man muss sich auch nicht lange wundern, denn für die FPÖ spricht nicht nur die Themenlage, die Unzufriedenheit in der Bevölkerung schürt, sondern auch die eifrige Mithilfe der Mitbewerber.
„Hoch werden wir es nicht mehr gewinnen“, meinte Toni Pfeffer 1999, als das ÖFB-Nationalteam gegen Spanien zur Pause 0:5 hinten lag. Diesmal war Pfeffer im Mikl-Leitner-Unterstützungsteam aufgestellt und die erneute Wahrheit in seinem legendären Satz dämmerte auch der lange erfolgsverwöhnten blau-gelben Volkspartei in den vergangenen Wochen.
Dennoch, ein Sieg der FPÖ in dieser Höhe wäre nicht notwendig gewesen und resultiert vor allem aus den Fehlern der Gegner. Zuerst verdribbelte sich die Bundesregierung in der eigenen Vorwärtsbewegung bei der Inflationsbekämpfung. Mehr als 50 Milliarden Euro an – nicht vorhandenem – Steuergeld hat die Regierung bisher verteilt und mittlerweile weiß keiner mehr, was es an diversen Zuschüssen, Boni, Bremsen und Ausgleichen eigentlich gegeben und wieviel man selbst in Summe bekommen hat.
Die nächsten Tore der FPÖ legte die ÖVP ganz alleine auf. Zuerst weigerte man sich monatelang, etwas gegen die strukturelle Korruption im Land zu unternehmen, und Affären wie die Einflussnahme auf das ORF-Landesstudio St. Pölten passten so wunderbar ins Bild. Dann wollte man thematisch ablenken und brachte das Asylthema wieder in den Mittelpunkt der Innenpolitik. Das war ein Heimspiel für den flinken Außenstürmer Herbert Kickl. Er nahm diesen Pass der ÖVP dankbar an und netzte abermals ein. Immerhin landete das Migrationsthema unter den Top-3-Wahlmotiven der niederösterreichischen Wähler.
Aber auch die SPÖ schenkte dem Gegner nahezu kampflos den Erfolg. Es begann bei der Mannschaftsaufstellung: Ohne Spielgestalter und ohne Goalgetter ins Match zu gehen – da weiß man nicht erst seit Seiler + Speer, dass „a schware Partie“ bevorsteht. Der Wechsel in der Aufstellung sofort nach dem Abpfiff bewies, dass man sich dieses Problems schon bewusst gewesen sein musste. Und wenn sich die Spieler der eigenen Mannschaft gegenseitig an- und umrempeln, braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn der besser organisierte Gegner freien Zug aufs Tor hat.
Kurz vor dem Abpfiff, etwas mehr als drei Tage vor dem Öffnen der Wahllokale, schenkte noch Bundespräsident Van der Bellen der FPÖ einen Elfmeter. Völlig unbedrängt hob er im eigenen Strafraum den Ball mit beiden Händen auf und erklärte, mit beziehungsweise unter ihm werde es keinen Bundeskanzler Kickl geben. Egal, wie eine Nationalratswahl in etwa 20 Monaten ausgehen wird. Der FPÖ-Chef nahm das Geschenk gerne an: „Nicht demokratische Mehrheiten und damit der Wählerwille sollen in Sachen Regierungsbildung entscheiden, sondern die persönliche Willkür einer einzelnen Person. Bei uns hat aber der Wähler das letzte Wort und entscheidet darüber, wer eine Regierung bildet oder anführt.“ Von den Tribünen klangen schon die „Jetzt erst recht“- und die „Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist“-Chöre.
2019 stand die FPÖ noch vor dem Abstieg, doch knapp vier Jahre später liegt sie plötzlich an der Tabellenspitze. „Der Ball ist rund“, lautet eine von Sepp Herbergers ewigen Fußball-Weisheiten. Aber dennoch – so leicht wie nun in Niederösterreich oder damals unser Fußball-Nationalteam in Spanien muss man es dem Gegner nicht machen. Beide Partien endeten übrigens mit einem 0:9. Zumindest Toni Pfeffer hat also schon Erfahrung mit einem solchen Ergebnis. Er beendete seine aktive Fußballer-Laufbahn etwa ein Jahr nach dieser Blamage. Johanna Mikl-Leitner erreicht nächstes Jahr das gesetzliche Pensions-Antrittsalter. +++