Eine Rede an die Nation zu halten, ist nie eine leichte Aufgabe. Schon gar nicht in Zeiten, in denen es den Menschen dieser Nation nicht gut geht, in Krisenzeiten also. In Zeiten, die populistischen, verantwortungslosen politischen Verführern Trümpfe in die Hand geben, die sie weder verdienen noch mit denen sie umzugehen wissen. Alexander Van der Bellen, Österreichs neuer, alter Bundespräsident, hat am vergangenen Montag bei seiner zweiten Angelobung als oberster Bürger im Staat diese Aufgabe eindeutig gemeistert.
Seine Rede, gehalten vor beiden Kammern des Parlaments im frisch renovierten historischen Sitzungssaal, war eine richtig gute Rede.
Ernsthaft, getragen, aber durchaus mit diesem kleinen Schuss verschmitzten Humors gewürzt, den der ansonsten eher trockene Präsident eigentlich ganz gut drauf hat. Die Rede hat wenig beschönigt von dem, woran Österreich, wie so viele andere Staaten Europas und der Welt, derzeit leidet. Sie hat die Krisen nicht verleugnet. Aber sie hat auch Hoffnung gemacht und aufgezeigt, dass es tatsächlich mehr benötigt, um das Land ins Wanken zu bringen. Der Bundespräsident hat angeführt, was in der schwierigen Situation alles geschafft wurde. Vor allem hat Alexander Van der Bellen während der knapp halbstündigen Rede, die hier nachzuschauen und nachzuhören ist, durchgehend den richtigen Ton getroffen.
Und er hat Mut bewiesen, indem er sich auch getraut hat, wenig Populäres anzusprechen, nämlich – nur rudimentär verklausuliert – die Politiker einer bestimmten Partei und deren Parteichef als nicht verantwortungsvoll genug zu entlarven, nicht rechtschaffen genug und damit insgesamt auch nicht geeignet genug, um Regierungsverantwortung oder gar das Amt eines Regierungschefs übernehmen zu können. Auch wenn er das so nicht gesagt hat, hat der Bundespräsident deutlich gemacht, dass er einen Bundeskanzler dieser Partei nicht zulassen wird, und dass er diese Partei auch als führende Kraft in einer künftigen Regierung nicht zulassen wird. Das ist mutig, weil die Stimmung im Land derzeit eher in die umgekehrte Richtung geht – eben weil hemmungsloser und rücksichtsloser Populismus in desorientierten Gesellschaften immer auf fruchtbaren Boden fällt. Und weil es dann immer mehr Geblendete gibt, die glauben, hasserfüllten Parolen und ausgrenzenden Worten wenig rechtschaffener Rattenfänger nachlaufen zu müssen. Solchen Mut zu beweisen, ist auch nicht ungefährlich. Denn immer öfter lassen die Anhänger von Rechtsauslegern deren Worten rechtswidrige Taten folgen und bedrohen Andersdenkende.
Da braucht es einen Bundespräsidenten, der das alles klar anspricht, der es deutlich verurteilt, und der glaubhaft als Fels gegen zerstörerische politische Strömungen auftritt, die Hass und Ausgrenzung in den Mittelpunkt stellen. Und gegen Personen, die das repräsentieren. Das schafft für die Rechtschaffenen in Politik und Bevölkerung Spielraum zur Entwicklung jenes Geistes der Zuversicht, den es braucht, um Krisen zu bewältigen. Und um demokratiefeindlicher Gesinnung und ihren Handlangern nicht genug Raum zu lassen, dass sie sich womöglich neu formieren und wieder die Macht im Staat übernehmen können.
Die such*stuff Redaktion bedankt sich dafür bei Alexander Van der Bellen und wünscht ihm eine gelungene, erfolgreiche zweite Amtszeit. +++