Der Wifo-Chef empfiehlt, mit der Gießkannenausschüttung von Geld aufzuhören. Dem früheren Finanzminister, der gesagt hat, “koste es, was es wolle”, hat bisher noch kein Regierungspolitiker widersprochen. Heute kommt die Nachricht von der Nationalbank (OeNB): Die Unternehmen konnten sich – grosso modo – dank der Coronahilfen der Regierung “Finanzpolster anlegen”. Ihr Eigenkapital stieg um 7,5 Prozent, schreibt der Kurier, die Bankguthaben um 17,5 Prozent. Gleichzeitig verloren die Privathaushalte dank Lockdowns und nun Inflation massiv Geld. Nimmt man all das zusammen, ergibt sich ein erschreckender Befund: Die Regierung hat in Sachen Pandemie, in Sachen Wirtschaftspolitik, in Sachen Krisenbewältigung, in Sachen verantwortungsbewusster Steuerung der ökonomischen Angelegenheiten des Staates so gut wie nichts richtig gemacht.
Die ÖVP hat ihre Klientel bedient, die Wirtschaft also, und dieser Steuergeld ohne Rücksicht auf Verluste (der Privathaushalte) zur Verfügung gestellt. Jetzt liegt es auf Konten der ohnehin gut verdienenden Unternehmen. Eine gigantische Umverteilung nach oben, von Klein zu Groß, von Bedürftig zu Wohlhabend. Staatliche Wirtschaftshilfen mit Steuergeld als Beitrag zum Shareholder Value. Die Grünen, deren Chef studierter Ökonom ist, es also besser wissen müßte, haben nichts dagegen unternommen. Ganz im Gegenteil, sie haben sich von der ÖVP zu Komplizen machen lassen.
Sie meinen, das sei überspitzt und weit hergeholt?
Vergleichen wir einfach. Kapitalreserven und Liquidität der Unternehmen: siehe oben. Und wie sieht es mit den Guthaben der Menschen aus? Das Geld am Gehaltskonto verlor allein 2022 um 9,6 Prozent an Wert, jenes am Sparbuch um 9,3 Prozent. Dabei waren Sparbuch und Konto noch jene Möglichkeiten für Individuen, ihr Geld am wenigsten verlustbringend zu parken. Das hat soeben das Momentum-Wirtschaftsinstitut berechnet, das der Arbeiterkammer nahesteht. Naheliegende Empfehlung für alle, die nicht genug Geld zur Verfügung hatten oder haben, es in Immobilien (der Markt ist überhitzt, also überteuert) oder Gold (eignet sich nur als Langfrist-Investment und daher nicht für jene, die vielleicht kurzfristig Reserven zur Deckung der Lebenshaltungskosten anzapfen müssen) zu investieren: 2022 sei das eigene Geld “unter dem Kopfpolster besser aufgehoben” gewesen als sonst wo, schlussfolgert Momentum.
Geld unter dem Kopfpolster aufheben? Allen Ernstes? Das widerspricht natürlich allem, was wir jemals gelernt und verinnerlicht haben und was vernünftig ist. Geld müsse arbeiten, es gehöre nicht unter den Kopfpolster oder die Matratze, hat man uns jahrzehntelang zu Recht eingetrichtert. Aber das gilt wohl nur, wenn man in einem Land lebt, das über eine vernünftige Regierung verfügt. Eine, die weiß, was sie wirtschaftspolitisch tut, und die es in erster Linie für die Menschen tut. Nicht für wenige Unternehmen oder für internationale Konzerne, die es sich richten können.
Wenn einmal ein durchaus ernst zu nehmendes Wirtschaftsforschungsinstitut allen Ernstes empfiehlt, Geld lieber unter dem Kopfpolster aufzuheben als zum Beispiel Aktien zu kaufen oder es sonst wie zu investieren, dann ist das ein Alarmzeichen. Indirekt ist es eine Bankrotterklärung für die Wirtschaftspolitik eines Landes.
Ein Beispiel noch: Statt die völlig unsinnige Merit-Order abzuschaffen, die Strompreise ohne Not in schwindelerregende Höhen und zusätzliche Milliarden in die Taschen der Stromlieferanten treibt, hat die Regierung eine “Strompreisbremse” eingeführt. Allerdings eine, die den Strompreis nicht bremst, sondern die lediglich einen Teil der Kosten übernimmt. Mit Geld, das von den Steuerzahlern kommt – und zu den Stromproduzenten wandert. Das sind in den meisten Fällen die, deren Kapitaldecke während der Krise im Schnitt, siehe ganz oben. Schon wieder: eine Umverteilung vom Steuerzahler zu Konzernen in Milliardenhöhe.
Die Frage im Titel ist falsch gestellt, sie muss eigentlich lauten: Was ist mit unseren Wirtschaftspolitikern los? +++