Start Business As Usual Das wahre Problem hinter dem Arbeitskräftemangel

Das wahre Problem hinter dem Arbeitskräftemangel

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Es ist eine toxische Kombination von Faktoren, die dazu geführt hat, dass die Wirtschaft allerorten händeringend nach Arbeitskräften sucht: Krisen, steuerliche Regelungen, sinkender Arbeitswille, reaktionsschwache Politik und so weiter.

Teilweise sind die Probleme hausgemacht: In Gastronomie und Tourismus zum Beispiel wurden und werden Arbeitskräfte traditionell so miserabel bezahlt und so mies behandelt, dass sich kaum jemand wünscht, dort zu arbeiten. Die Entlassungen, Kündigungen und Kurzarbeit-Versetzungen während der Pandemie (letzteres bei auf derart geringer Basis reduzierten Löhnen, dass es zum Leben eben nicht mehr reichte) waren dort eine Initialzündung: Die Menschen haben sich dankend verabschiedet und nach Besserem Ausschau gehalten. Und jetzt sind sie eben weg. Lockangebote von Hoteliers und Wirten mit – immer noch beschämend niedriger – plötzlich besserer Entlohnung helfen da wenig.

Teilweise leistet auch die völlig verfehlte Abgabenpolitik diverser Regierungen ihren Beitrag. Einfaches Beispiel: Wer seine Arbeitszeit freiwillig um 50 Prozent ausdehnt, also um die Hälfte mehr arbeitet, kassiert netto nur um 32 Prozent mehr. Während die Unternehmen um über 50 Prozent mehr zahlen müssen. Der große Abkassierer dabei ist der Staat – also genau der, der die Steuergesetze macht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Auch die Arbeitsmarktpolitik vergangener Jahre hat in die falsche Richtung geführt, die Regierenden könnten sich da ruhig vom emeritierten Politiker Matthias Strolz etwas abschauen, Stichwort: “Flügel heben” – statt klein halten und abzocken. Mehr engagierte Selbständige bräuchte das Land, denen die Rahmenbedingungen so große Erfolgschancen einräumen statt sie ihnen zu nehmen, dass die irgendwann ihrerseits mehr Menschen zu viel besseren Bedingungen Arbeit anbieten können.

Und natürlich, die Menschen werden selbstbestimmter, sogar in der traditionell obrigkeitshörigen Alt-Monarchie Österreich. Vor allem die Jungen wollen inzwischen lieber leben als in die Taschen fremder Arbeitgeber oder des Staates zu arbeiten. Das ist an sich nicht schlecht, denn es zeugt von einer längst überfälligen Mündigkeit. Im Großen und Ganzen sollte außerdem jeder und jede ein so gesundes Selbstwertgefühl besitzen, dass man tendenziell eher aufs eigene Wohlbefinden achtet als auf jenes abstrakter Arbeitgeber. Auch wenn so manche Motivation der Generation Z durchaus hinterfragenswert sein mag – nur so viel arbeiten zu wollen, dass man halbwegs leben kann und dieses Leben ansonsten genießen zu wollen, ist alles andere als ungesund für die Psyche.

Stellt sich die Frage: Was nützt dem Staat mehr – psychisch gesunde, selbstbewusste Faulpelze, die wissen was sie wollen, oder depressive Duckmäuser, die sich an schlechten Arbeitsplätzen ausnützen lassen?

Selbstverständlich kommt die Gesellschaft als Ganzes, so wie sie derzeit aufgestellt ist, mit dem herrschenden Arbeitskräftemangel nicht weiter. Das bringt uns zum eigentlichen Problem. Das wirtschaftlich-gesellschaftliche Zusammenleben funktioniert nicht mehr so wie in den vergangenen 50 oder hundert Jahren. Wesentliche Parameter haben sich radikal geändert – nur nicht das Denken der Politiker und der immer noch nach althergebrachten Mustern agierenden Unternehmen und Konzerne sowie deren Vertretungen und Chefs. Wollen wir das drohende ganz große Chaos vermeiden, müssen wir umdenken.

Es wird langfristig eine völlig neue Wirtschaft brauchen, und zwar international. Eine, die nicht mehr Wachstum und finanziellen Profit mancher an die erste Stelle stellt, sondern Nachhaltigkeit und Wohlbefinden aller, die sie bewirtschaftet. Emotionales und nicht konsumbedingtes Wohlbefinden, wohlgemerkt. Wir brauchen eine Wirtschaft, in der nicht das Streben nach möglichst großem Wohlstand dominiert, weil das immer in gigantischen Wohlstand weniger auf Kosten vieler ausartet. So sind wir Menschen eben. Stattdessen muss künftig das Streben nach emotionaler Sicherheit, Stabilität und Prosperität der gesamten Gesellschaft das höchste Gut sein. Dazu wird es, nur zum Beispiel, ganz sicher ein arbeitsfreies Grundeinkommen brauchen – und dazu noch viel mehr.

Natürlich, das wird ganz schön kompliziert werden. Es gibt Hunderte, wenn nicht Tausende Abers, um die man sich kümmern muss. Millionen Fragen, die zu beantworten sind. Die Jahre und Jahrzehnte der Umstellung werden höchst herausfordernd sein. Doch ebenso wie die alpinen Tourismusbetriebe sich langsam vom Skifahren als winterliche Haupteinnahmequelle verabschieden sollten, sollten wir das als europäische, als westliche Gesamtzivilisation endlich angehen.

Damit Menschen, die sich nicht mehr ausnützen lassen – und auch Menschen, die einfach nur faul sind (warum nicht) – unsere gesamte Wirtschaft nicht gleich in ein Chaos aus Heulen und Zähneklappern stürzen. Wir brauchen ganz einfach ein international völlig neu gedachtes wirtschaftliches und soziales Zusammenleben. Das ist das wahre Problem, die wahre Herausforderung hinter dem Arbeitskräftemangel. +++