Paul Krisai ist einer aus der ganz jungen, aber umso erfolgreicheren Journalisten-Mannschaft des ORF – und einer, dem das Journalistenglück auf klassische Weise entgegenkam. Er wurde Journalist, wie man früher Journalist wurde – weil er es wollte, weil er es konnte, und weil er zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort war. Soeben wurde er nun als österreichischer “Journalist des Jahres” ausgezeichnet.
Viele Geschichten herausragender Medienleute haben einmal so begonnen: Man hatte Talent – aber das haben viele. Darüber hinaus jedoch war man zum richtigen Zeitpunkt an der passenden Stelle. So wie Thomas Pötzelsberger zum Beispiel, heute als Anchorman fixer Bestandteil der Zeit im Bild, noch vor wenigen Jahren aber Moderator im Kindernachrichten-TV: Aus heiterem Himmel kam Ibiza, Pötzelsberger hatte Dienst am Küniglberg und musste mit den News auf den ZiB-Bildschirm der Erwachsenen. Er machte seine Sache souverän und umgehend Karriere. Oder Karim El-Gawhary, der vor dem Arabischen Frühling als eher exotischer Nahost-Korrespondent ab und zu einen Beitrag einspielen durfte. Danach war er ein Star. Es gibt einige ORF-Geschichten dieser Art. Und es gibt Dutzende Journalisten-Geschichten von großen Namen, die zufällig bekannt wurden, weil sie Möglichkeiten zu nutzen wussten. Heute ist es für gewöhnlich sehr viel komplexer, als Journalist bekannt zu werden: Man benötigt eine gute Ausbildung, dazu Talent, man benötigt eben eine Chance und manchmal benötigt man auch gute Freunde in den richtigen Positionen. Die ersten drei Voraussetzungen hat Krisai.
Er hat jedenfalls den Journalismus von der Pike auf gelernt, an der FH Joanneum in Graz. Dort ist die vermischte Journalisten- und PR-Ausbildung – eine Vermengung, die den meisten seriösen Angehörigen beider Berufsgruppen als absolute Todsünde gilt – innerhalb eines gewissen bemühten, steirischen Tellerrandes eine Institution. Krisai hat diese Ausbildung absolviert und blickte von Anfang an über das Lokalkolorit des Tellerrandes. Er fand über Praktika und Tätigkeiten im Red-Bull-Medienkonzern sowie beim ORF ins Moskauer Korrespondentenbüro – und präsentierte sich jeweils als ausgezeichneter Journalist. Schließlich wurde ihm die Leitung des ORF-Büros in Moskau übertragen. Ein echter Ritterschlag. Auslandskorrespondent wird im ORF nur, wer wirklich etwas kann.
Seit Russland die Ukraine überfiel, navigiert Krisai die TV-Zuseher nun mit traumwandlerischer Sicherheit durch die verworrenen und von Propaganga durchsetzten Nachrichten aus dem Krieg. Er kommt mit dem immensen Druck zurecht, dem Medienvertreter in Putins Russland ausgesetzt sind. Er berichtet über den Krieg als solchen, ohne von Krieg sprechen zu dürfen. Und er macht das so ausgezeichnet, dass das Branchenmagazin “Der Journalist” Krisai nun eben zum Journalisten des Jahres 2022 wählte. Das ist eine Auszeichnung, die Gewicht hat – nur wirklich gute Leute haben sie bisher erhalten. Grund genug, zum such*stuff Mann der Woche zu avancieren. +++