Start Business As Usual ESG: Warum die Versäumnisse der Wirtschaft eine Belastungswelle bringen

ESG: Warum die Versäumnisse der Wirtschaft eine Belastungswelle bringen

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Es ist schon knapp zwei Jahre her, da haben die Bürokratieköche in der EU ein komplett neues Menü komponiert und auch beschlossen. Es nennt sich ESG, was für “Environmental, Social Governance and Sustainability” steht – also frei übersetzt für Umwelt, Soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit. Fast die gesamte EU-Wirtschaft muss sich künftig daran halten, schließlich sollen ja die Klimaziele 2050 erreicht werden. Das liest sich natürlich gut auf jeder künftigen Speisekarte. In Kraft getreten ist die Verordnung, die sogenannte EU-Taxonomie, dann 2021, sie gilt also bereits – und das weitgehend unbemerkt von den österreichischen Unternehmen. Genau da liegt das Problem.

Denn die ESG-Verordnung greift so tief wie noch keine andere EU-Vorgabe in unternehmerische Prozesse ein, bis in nationale und internationale Lieferketten. Sie wird künftig radikal die Guten von den Bösen trennen. Alle möglichen Themen sind betroffen: Umweltfreundliches, nachhaltiges Wirtschaften sowieso. Aber auch Menschenrechte, Kinderrechte, Frauenrechte müssen verbindlich eingehalten werden. Biodiversität wird eines der großen neuen Schlagworte sein. Das alles ist natürlich gut, wichtig und richtig und sollte ohnehin selbstverständlich sein – was es leider für die allermeisten Unternehmen nicht ist. Sonst stünde unsere Welt nämlich weniger schändlich da. ESG wird jedenfalls für eine bessere europäische Wirtschaft sorgen.

Das große Problem: In Österreich hat diese Verordnung bisher kaum ein Unternehmen ernst genommen, an vielen ist sie überhaupt spurlos vorüber gegangen. Doch ab 2028 wird geprüft und – zum Teil sehr streng – bestraft. Finanzierungen werden dann dramatisch teurer, befolgt man die ESG-Taxonomie nicht. Auch Pönalezahlungen wird es geben. Und die EU hat keinen Zweifel gelassen, dass Missetäter auch publizistisch an den Pranger kommen, was dann bedeutet: Good-bye, Image.

Für Österreich wird die Zeit bis 2028 kaum reichen, alles sauber auf die Reihe zu bekommen, was ESG fordert. Der Unternehmensberater PricewaterhouseCoopers (PwC) bescheinigt in einer brandneuen Studie: Österreichs Unternehmen schneiden in Sachen ESG katastrophal ab, und zwar so gut wie alle. Unsere Wirtschaft ist in keiner Weise bereit, ESG-konform zu agieren. Man beschränkt sich immer noch auf das Veröffentlichen schöner Zahlen in bunt bebilderten, marketinggetriebenen Nachhaltigkeitsberichten. Fragt man Vorstandsvorsitzende, erhält man bestenfalls Schönwetter-Statements. “Say-Do-Gap” nennt das eine PwC-Expertin. Dabei gehört ESG in die Gene jeder Unternehmens-CI hinein geschrieben, ins Selbstverständnis aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eingebrannt, auf Vorstandsebene angesiedelt und vor allem: ESG gehört ernst genommen.

Wird die Einhaltung in ein paar Jahren penibel an mehr als 100 Datenpunkten kontrolliert – hinter denen jeweils umfassende Prozesse, Dokumentationen und Maßnahmenkataloge stehen müssen – werden Österreichs Firmen das nur rechtzeitig schaffen, wenn sie sich zu einem Kraftakt aufraffen und vor allem viel Geld in die Hand nehmen. Berater reiben sich bereits die Hände, weil es ohne sie nicht mehr gehen wird und die EU ihnen ein völlig neues Betätigungsfeld eröffnet hat. Fürstliche Honorare werden bereits einkalkuliert — und wohl auch bezahlt werden müssen. Das Erwerben von ESG-Fitness unter Zeitdruck wird die Kosten vieler Unternehmen nach oben treiben. Teurer, als es nötig gewesen wäre, hätte man sich rechtzeitig mit der Thematik beschäftigt – wie es der internationale Mitbewerb zum Teil getan hat. Eine Belastungswelle in Sachen ESG rollt deshalb auf Österreichs Wirtschaft zu – und damit eine weitere Teuerungswelle auf deren Kunden. Also letztendlich auf uns. Der Genuss des Menüs Nachhaltigkeit wird teuer werden. Unsere Welt wird es uns wert sein müssen. +++