Wie kann es sein, dass Österreichs Politiker und Politikerinnen während der Corona-Pandemie so viel falsch und so wenig richtig gemacht haben? Wie ist es möglich, dass die Politik so wenig Antworten auf die Herausforderungen der Energiekrise findet – und dass diese Antworten, wenn es sie denn gibt, in so vielen Fällen so dilettantisch ausfallen? Woher kommt diese offensichtliche Breitschaft von Abgeordneten zum EU-Parlament, sich korrumpieren zu lassen? Mit anderen Worten: Es stellt sich, nicht erst in jüngster Zeit, eine beklemmende Frage:
Warum repräsentieren Politiker in so vielen Fällen nicht das Beste sondern eher das Schlechteste, was wir zu bieten haben? Manchmal sogar garniert mit einer Tendenz zum Kriminellen?
Die ernüchternde Vermutung liegt nahe: Je besser es einer Gesellschaft geht, desto stärker neigen ihre gewählten Repräsentanten zur Fahrlässigkeit, zur Unfähigkeit, und manchmal eben sogar auch zur Kriminalität. Machen wir uns nichts vor: In den Parlamenten – das gilt für alle Kammern, von den Landtagen im Kleinen bis hinauf zum EU-Parlament im ganz Großen – sitzen sehr oft nicht die Edelsten von uns. Sondern mehr jene, die sich nach oben durchlaviert haben. Denn um es in den politischen Parteien von heute wirklich zu etwas zu bringen, sind eigene Meinung, Reflektiertheit oder Rückgrat eher hinderlich. Der Auswahlmechanismus funktioniert anders: Loyalität nicht zu den Menschen, die man vertritt, ist gefragt – sondern zur eigenen Gruppierung, also zur Partei. Zudem helfen eine gute Portion Rücksichtslosigkeit und Ellbogenmentalität, will man sich in Parteiapparaten nach oben durchkämpfen. Und so sehen die Parteispitzen dann eben meistens auch aus. Dorthin ist es kein Weg, den Idealisten gehen. Sondern es ist eine Ochsentour, in deren Verlauf das abgeschliffen wird, was an Charakter womöglich zu Beginn noch vorhanden gewesen wäre. Man schafft es nicht bis nach oben und erst recht nicht in die von Parteien beschickten Parlamente, wenn man nicht willfährig, biegsam, anpassungswillig und gehorsam gegenüber den Apparaten ist, aus denen man kommt.
Im österreichischen Nationalrat gibt es genau dafür übrigens sogar ein Wort: Klubzwang. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Faustregel: Je jünger eine Partei ist, desto besser funktioniert sie für gewöhnlich im guten, demokratischen Sinn. Je älter, desto: siehe oben.
Das Ergebnis ist jedenfalls desaströs. Wer auch nur einmal eine kontroversielle Debatte zum Beispiel im österreichischen Nationalrat verfolgt hat, wird das bestätigen können: Egal ob rhetorisch, intellektuell oder inhaltlich betrachtet – ein Niveau wie im Kindergarten. Danach stellt sich einem unweigerlich die Frage: Was ist das bloß für ein Land, dessen Geschicke von solchen Leuten bestimmt werden. Aber es ist nicht nur im Nationalrat so – und natürlich nicht nur in Österreich. In Abgeordnetenhäusern regieren mittlerweile nur mehr selten Talent, Geschick, Wissen und Können. Sondern sehr oft beschränktes Denken, Dilettantismus und der Wille, sich denen unterzuordnen, die einen hierher geschickt haben. Und das waren in den allermeisten Fällen nicht die Bürger, das waren die Parteien.
So kommen Gesetze zustande, die oft abenteuerlich sind. So kommen Regierungen zustande, die zum größeren Teil unfähig sind. So kommt es, dass die besten Köpfe sich von der Politik fern halten. Und so kommt es in letzter Instanz auch dazu, dass Länder –Österreich ist ein gutes Beispiel – zunehmend schlecht regiert werden. Dass Milliarden an Steuergeldern verprasst werden, während sie anderswo an allen Ecken und Enden fehlen. Dass Krisen sich oft zu existenzgefährdenden Bedrohungen auswachsen, obwohl das nicht sein müsste. Oder eben auch, dass Korruption in Institutionen des Staates Einzug hält, auf nationaler wie auf internationaler Ebene.
Damit es kein Missverständnis gibt: Zweifellos ist die Demokratie die beste Staatsform, die wir haben, immer noch. Aber es gilt wohl, sorgfältigere Auswahlverfahren derjenigen zu starten, die in dieser Demokratie zu Repräsentanten werden. Politiker dürfen nicht die werden, die sich so irgendwie durchschwindeln, die ihren Weg aufgrund von Beziehungen gehen, die über die richtigen Freunde verfügen. Jene müssen wieder ihren Weg in die Politik finden, die ein gemeinschaftliches Anliegen, eine Idee vom Zusammenleben verfolgen. Die Intellekt besitzen, die anständig sind. Die müssen Politiker werden, die auch in der Wirtschaft nachgefragt sind, die in der Wissenschaft Erfolg hätten, die wirklich etwas wissen und können. Dafür müssen wir, die Bürger und Bürgerinnen, sorgen. Wie? Ich weiß es leider nicht.
Aber wir könnten ja einmal damit starten, bei den nächsten Wahlen nicht die alteingesessenen Parteien mit ihrer Selbstversorger-Mentalität, ihren Apparatschiks und Günstlingen zu wählen. Sondern neue, unabhängige, unverbrauchte Menschen mit Anliegen. Jedoch keine Schwurbler, die nur die Gunst der Stunde nützen wollen – sondern Leute mit Charakter und echtem Engagement. Wir könnten auch damit starten, uns zu mündigen Bürgern einer engagierten Zivilgesellschaft zu entwickeln. Und als solche dann – wenn es keine passenden Angebote bei Wahlen gibt – uns eben selbst in wählbaren, neuen Bewegungen organisieren. +++