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Geschichtenerzähler im Porträt: Being Helmut Gansterer

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Helmut Gansterer ist so etwas wie der König unter allen österreichischen jornalistischen Geschichtenerzählern.

Unter allen österreichischen journalistischen Storytellern ist Helmut Gansterer so etwas wie der König. Das Kaleidoskop seines Erzählens hat ihm eine einzigartige Reputation im Land verschafft. Gansterer ist der Herr der wahren Geschichten.

Ob du Bill Gates triffst und seine anfängliche Distanz durch das Drücken richtiger Knöpfe sorgfältig auseinanderklaubst, bevor du ihn entspannt interviewen kannst, ob du mit Werbefürst David Ogilvy durch sein französisches Schloss spazierst, oder ob du einem Dorfpolizisten im Waldviertel einen Vers schenkst – es ist alles dasselbe. Es ist alles die Quelle für eine Geschichte, die du erzählen kannst. Wenn du Helmut Gansterer bist.

Dann warst du früher Chefredakteur und Herausgeber des über Jahrzehnte einzigen ernst zu nehmenden Wirtschaftsmagazins im Land. Du hast die Größten und die Kleinsten der Gesellschaft getroffen, hast vieles von dem beschrieben, was es in der Ökonomie zu beschreiben gilt, in der einen oder anderen Weise. Du hast aus all dem ein Kaleidoskop an Geschichten gebastelt, das dir eine Reputation erschaffen hat, wie sie in Österreich kein zweiter Journalist besitzt. Du hast dich zum Herr der Geschichten geschrieben.

Helmut Gansterer hat seinen Chefjob beim trend, immer noch das größte Wirtschaftsmagazin Österreichs, vor vielen Jahren abgegeben und diesen Teil seines Arbeitslebens abgehakt. Zu einem guten Zeitpunkt. Denn heute werden Verlage, auch jener des trend, üblicherweise von Consultern zerzaust und nach Einsparungspotenzialen durchpflügt, was das Leben dort manchmal öde macht. Printmedien kämpfen einen Kampf der Entrechteten auf verlorenem Posten gegen das Internet. Nicht so wie früher, als es noch weniger Knochenjob war, einem großen Magazin vorzustehen. Geschichten wie Gansterer sie schreibt, ausladende Geschichten, prosaisch erzählt, müssen heute gegen immer wilder zur Quote und damit zum Mainstream entschlossene Chefredakteure durchgesetzt werden. Journalisten, die etwas zu erzählen haben und das in Bildern der Schönheit und Würde tun wollen, stoßen bei Blattmachern zunehmend auf verschlossene Herzen.

Gansterer nicht. Er lebt als freier Autor zwischen Donau und Bisamberg vor den Toren Wiens, erarbeitet wie eh und je essayistische Erzählungen aus dem Alltagsleben, hauptsächlich aus dem weiten Bereich der Wirtschaft und aus der Welt der motorisierten Fortbewegung. Wie eh und je bilden die schönen Künste, die versponnenen Betrachtungsweisen der Philosophie, die Literatur und die Fotografie die Basis seiner Welt. Und im Falle Gansterers lieben die Macher der immer schneller werdenden Medien das Langsame, Ausladende und Bunte in Beiträgen. Er mache die Erfahrung, sagt Gansterer, dass es eher sogar wachsenden Bedarf an Geschichten gebe, wie er sie erzählt. Seine Art zu schreiben, sein tändelndes und trotzdem ernsthaftes Zusammenbauen der Worte, ist in Österreich immer noch einzigartig.

Ich habe immer Lokale gefunden, in denen man mich beim Schreiben gut beschützt hat.

Will man schön schreiben, müsse man dabei stehen, sagt Gansterer. Nicht sitzen. Auch Hemmingway, der berühmteste aller Geschichtenerzähler, habe das so gemacht. In Bars geht Schreiben besser als zu Hause oder, um Gottes Willen, in Büros. Tresen und Theken haben ganz automatisch die passende Höhe. Ein früherer Redakteur des seinerzeitigen Chefredakteurs Gansterer erinnert sich heute noch daran, wie der Boss sämtliche Bars, Cafés und Wirtshäuser im Umfeld der Wiener Marc-Aurel-Straße, dem damaligen Verlagssitz der trend-Redaktion, als Büros requiriert hatte. Dorthin hatten die Redakteure zu pilgern, um ihre Stories mit Gansterer zu besprechen. Das ist heute nicht viel anders: Gansterer schreibt kaum je zu Hause. Immer  noch sind Wirtshäuser und Bars, auch die von Hotels, seine liebsten Büros, auch Waldlichtungen und Uferpromenaden. „Ich habe immer Lokale gefunden“, sagt er, „in denen man mich gut beschützt hat“. Einmal gab es sogar irgendwo einen Barkeeper, der einen lästigen Gast umstandslos entfernte, weil der Gansterer über die Schulter sah und zu stilistischen Ratschlägen ansetzte.

Rund 5.000 Geschichten, Essays und weit über hundert Vorträge, ein gutes Dutzend Bücher sowie viele Jobs für Radio und TV bilden mittlerweile sein Oeuvre. Vor allem zwei regelmäßige Aufträge befinden sich unter diesen vielen Arbeiten, die ihn nach wie vor in aller Munde halten. Da ist einerseits der monatliche Wirtschafts-Essay, immer noch im trend, seinem alten Magazin. Und da sind vor allem die unter dem Pseudonym Philip Waldeck am Beginn jeder neuen Autorevue erscheinenden Geschichten, die prototypisch für die Art des Erzählens sind, wie es derzeit nur Gansterer beherrscht, und die von Abenteuern mit Automobilen und Motorrädern erzählen. Die Waldeck-Geschichten sind längst Kult, etwa jenes regelmäßig darin enthaltene Versatzstück, dass der Autor für Polizisten bei Verkehrskontrollen jeweils einen Vers aus der Hinterhand holt. Tatsächlich soll es heute unter Waldviertler Polizisten vornehmer Sport sein, Gansterer auf Testfahrten zu stoppen und ein Gedicht einzufordern. Der verfügt mittlerweile über ein ansehnliches Repertoire an Miniaturen für diesen Zweck.

Ich bin wie Alfred Polgar: einer der Lächerlichen, die beim Alleinsein Gesellschaft brauchen.

Die Verse kommen vom Lesen, sagt Gansterer. Wie jeder gute Journalist weist er ausdrücklichst darauf hin, dass Lesen überhaupt alles ist. Edelfeder – so wird Gansterer landläufig inzwischen genannt, was ihm durchaus Freude macht – wird man nicht von nichts. Man kann das sogar bis zu einem gewissen Grad lernen, sagt er. Etwa den Umgang mit zu langen Sätzen, in den meisten Fällen eine Art journalistische Todsünde. Marcel Proust habe das gekonnt, auch James Joyce. Gansterer liest also gern und er liest fast alles, und deshalb schreibt er vermutlich auch so gut. Der Rest ist Begabung und Inspiration, die wohl auch von ihrerseits inspirierten Menschen kommen kann. Diesbezüglich ist der weitgereiste Gansterer ein Glückskind. Er hat Menschen getroffen, die man sonst eher nicht treffen kann. In ganz jungen Jahren zum Beispiel David Ogilvy, den Gott aller Werber. Der ließ Gansterer sogar in sein südfranzösisches Schloss und pflegte längeren Gedankenaustausch mit ihm. Oder Microsoft-Gründer Bill Gates, von dem Gansterer heute noch zu erzählen weiß, dass er zu Beginn des Gespräches seltsam verschlossen gewesen sei, dann aber auftaute und sich eine interessante Konversation entspann. So etwas bleibt einem wohl als Erinnerung fürs Leben.

Fassen wir also zusammen: Bist du Helmut Gansterer, dann befindest du dich heute im zweiten, vogelfreien Teil deines journalistischen Lebens. Immer noch erzählst du deine Geschichten auf eine einzigartige Weise. Um deine Essays raufen sich bekannte Medien wie die Autorevue oder der trend. Du fährst lässige Autos und ausladende Motorräder. Du verdienst dein Geld, indem du darüber schreibst. Du kennst dich mit Kunst aus, du bist ein grundsätzlich respektvoller Mensch, und du wirst von einer nicht abnehmenden Schar von Bewunderern deiner Jonglierkunst mit Worten geliebt. Du lebst am Rande einer schönen Stadt, fotografierst und befeuerst damit die eine oder andere Ausstellung. Du hast als Journalist eine Sonderstellung im Land. Du lebst das gute Leben eines interessanten Menschen, der interessante Menschen trifft.

Und das ist gut so, weil man in deinen Geschichten davon lesen kann.