Zuerst einmal: Erinnerung.
Wenden zur Auflockerung des Alltags doch einfach für kurze Zeit weniger Ernstem zu, Banalerem, Leichterem. Zum Beispiel meiner Erinnerung aus dem Jahr … nun ja, es muss wohl so zu Beginn der 1980er-Jahre gewesen sein.
Am letzten Schultag vor den Osterferien fiel mir ein, man könnte ja nach Sizilien fahren. Ich fragte ein paar aus meiner Klasse, die mir alle sinngemäß sagten:
Was? Morgen los? Einfach so? Bist deppert? Viel zu knapp.
Also fuhr ich alleine, hatte abenteuerliche zweitausend Zugkilometer zwischen Graz und Palermo zu bewältigen. So teilte ich mir zum Beispiel zwischen Neapel und Reggio di Calabria im völlig überfüllten Waggon einen Gangsitz mit einer schwer übergewichtigen Nonne, entkam in Cefalú mit knapper Not einem womöglich homosexuellen Taxifahrer mit Absichten, ließ mir am Strand das Gesicht von einem Höllenhund abschlecken (Sie können das hier nachlesen, liebe Blogleser und Innen), war aber alles in allem recht glücklich dort unten. Weil Ende März, Kälte bei uns, Wärme jedoch bereits dort, die Zitronenbäume blühten, die Wiesen waren frühlingsgrün, die Sonne freundlich. Mit Staunen sah ich draußen, vor dem Horizont des Tyrrhenischen Meeres und dem matt im Dunst verschwindenden Inselchen Stromboli, einen amerikanischen Flugzeugträger vorbeischlurfen. Das riesige Schiff begeisterte mich, den naiven 17- oder 18-Jährigen. Es war einmal. Geschähe das kommende Ostern, würde ich mir wohl gröbere Sorgen machen, wohin der unterwegs sein und ob er womöglich in einem kommenden Weltkrieg eine Rolle spielen könnte.
Doch das will ich Ihnen alles nicht erzählen.
Ich will Ihnen von der leichten Muse dieses Wochenendes jetzt gerade erzählen, die ich zwischen all den dramatischen Nachrichten-Updates aus der Ukraine konsumiere.
Damals, auf Sizilien, hat sich nämlich ein Bild in meinem Kopf eingenistet, wunderschön und gewaltig, das ich nicht mehr vergessen werde. Ich lag in einer Nacht, zart und weich wie Milch und Honig, am Rücken auf einer Wiese oben an der Kante eines Steilabbruchs zum Meer hinunter. Es war warm und über mir blinzelte eine unendliche Masse kleiner Stecknadeln, die meisten weiß, einige jedoch auch bunt, unbekannte Geschichten zu mir herunter. Ein schmaler, langer Schleier zog sich durch das Lichtermeer der Sterne: die Milchstraße, unsere Galaxie. Nie werde ich dieses Wunder über mir vergessen, das ich so seither nicht mehr gesehen habe, nicht einmal vor zweieinhalb Jahren in einer lichtlosen, sternenklaren Nacht im irischen Burren, wo die Pracht des Universums ebenfalls unglaublich war, aber eben nur unglaublich, nicht wunderbar. Seit dieser einen Nacht auf Sizilien kann ich sagen:
Ich bin nicht nur der beste Aufsmeerschauer der Welt, sondern zweifellos auch einer der weltbesten Indiesterneschauer.
Und ich mag alles, was von dort kommt, was dorthin geht, was von dort erzählt, und so weiter. Also, eh klar, mag ich auch auch Science Fiction. Darum war ich begeistert, dachte sofort an den sizilianischen Nachthimmel von damals und war wieder jung, als ich dieser Tage über irgendein YouTube-Video, das mir auf den Screen schwappte, mitbekam: Episode Nummer 1 der zweiten Staffel der SciFi-Serie Star Trek Picard trägt den poetischen Titel:
The Star Gazer.
Als Trekkie (und wer von uns alt werdenden Männern, die mit Kirk, Spock und der Enterprise groß geworden sind sowie sich ein wenig Phantasie in die haltlose, herzlose und schmerzlose Welt unseres heutigen grauen Alltags herübergerettet haben, ist das nicht) war ich sofort begeistert und wusste: Muss ich sehen.
Und jetzt endlich zum weniger Ernsten, zum Banaleren, das ich eingangs angekündigt habe: meine Beobachtungen, als ich heute vor dem TV-Gerät saß und mich auf das freute, was gleich kommen würde – so wie ich mich früher als kleiner Bub einmal im Monat auf eine neue Folge von Raumschiff Enterprise gefreut hatte: Star Trek Picard, die erste Episode der neuen zweiten Staffel, und damit ein Blick in die Sterne. Aber stellte sich heraus: nicht nur das.
Es kam weit besser. Denn nie, nie, nie hätte ich gedacht, dass ich, der Aufsmeerschauer, der Indiesterneschauer und der außerdem wilde Anirlanddenker, so etwas erleben würde: Es erfüllt mich gleichermaßen mit kindlicher Freude wie mit begeistertem Erstaunen, dass tatsächlich das irische Zuprosten Eingang in die Science Fiction gefunden hat, weil in Star Trek Picard eine Romulanerin allen Ernstes Sláinte sagt. Man muss sich das vorstellen, in Star Trek geht´s um Raumschiffe, um universelle Bedrohungen, um Parallelrealitäten, um Cyborgs, um Außerirdische wie eben die Romulaner, und so weiter. Und da sitzen plötzlich tatsächlich der Captain aller Captains und seine romulanische Haushälterin des Abends im Patio ihres französischen Weinguts, prosten sich mit Rotwein zu, und die Frau sagt:
Sláinte!
Also das, was die Iren sagen, wenn sie Prost! sagen. Ich: verzückt. Da muss man nicht überlegen, ob es vielleicht nicht doch ein wenig hinüber sein könnte, zu viel des Guten womöglich einfach, dass eine Außerirdische erstens auf Erden Rotwein trinkt und zweitens dann auch noch auf Irisch Prost! sagt. Vermutlich gibt es bessere Ideen für SciFi-Drehbücher. Mir war das aber egal, weil eben: schwere Begeisterung. Denn Irland gibt´s ab sofort und unwiderruflich nun auch in Star Trek und von dort kann es keiner mehr wegnehmen. Das ist jetzt Kanon und damit basta.
(Ich muss gestehen, ich warte ja ohnehin schon seit Jahrzehnten darauf, dass die Sternenflotte endlich einmal ein Raumschiff in Dienst stellt, das den längst überfälligen Namen USS Ireland trägt, aber bislang war da leider nix zu machen.)
Ich orientierte mich jedenfalls sofort um. Bis dato vertrat ich mit Verve die Ansicht, die hübsche Schiffspsychologin der Enterprise D und E, die Schauspielerin Marina Sirtis, sei die schönste Frau im Star-Trek-Universum. Aber die ist leider nicht so richtig gut gealtert, und ehrlich jetzt, sie schaut inzwischen ein bissl überwuzzelt und überspritzt aus, die kleinen oder vielleicht auch größeren Schönheitseingriffe hätten vermutlich gefühlvoller ausfallen können. Ich begann daher bereits, mich gedanklich mehr auf die Fanseite von Jeri Ryan zu schlagen, die am selben Tag wie ich Geburtstag hat, ungefähr gleich alt ist, jedoch nur ungefähr halb so alt aussieht.
Doch jetzt! Die Romulanerin!! Sagt Sláinte!!!
Und es kommt noch besser, denn sie wird gespielt von: einer Irin. Einer Irin! Mehr brauche ich nicht. Die schönste Frau in Star Trek ist für mich also längst nicht mehr Marina Sirtis, auch nicht Jeri Ryan, sondern ganz klar Orla Brady.
Der Autor:
Klaus Puchleitner arbeitete lange Jahre als Wirtschafts- und Innenpolitikjournalist für die Magazine FORMAT, trend und Industrie. Heute lebt er als freier Autor in Graz und Mondsee und schreibt für Medien wie trend, freizeit-Kurier, profil, bestseller oder Horizont über Wirtschaft, Reise, Politik und alle möglichen weiteren Themen. Puchleitner ist auch als Ghostwriter und Sachbuchautor tätig.